Die vergurkte Fotosession

Tarad´or Trockenfutter

Das Leben schreibt manchmal wirklich eigenwillige Geschichten.

2000 – Wir sitzen in unserer WG in Coburg. Es ist die Zeit, als Lidl und Aldi beginnen, das Land mit ihren gedruckten Werbebotschaften zu fluten. Feinripp, Champagner, Erdbeeren, Klopapier. FLEISCH ziert oft den Titel und die beiden Folgeseiten. Amüsiert stelle ich fest, dass Ente, Schwein und Rind, Leber, Niere und Herz ja irgendwann und irgendwie auch fotografiert werden müssen. Und formuliere, dass ich NIE im Leben so einen Job machen würde. NIEmals. In der WG quittieren wir die armen Schweine, die so etwas fotografieren müssen, mit einem Lächeln.

2022 – Ich bekomme eine Auftrag, Zutaten für Hundefutter zu fotografieren. Das große C ist noch nicht ganz ausgeheilt, mein „Leitsymptom“ ist kognitiver Art, ich habe ein Konzentrations- und Aufmerksamkeitsdefizit – und sage den Auftrag zu. Somit nimmt das Schicksal seinen Lauf.

Ich mache mir ein Liste für Accessoires (Untergrund, Hintergrund, Schneidbretter, Messer, Schalen, Gläser) und fahre zu einem Antquitätenhändler nach Wasserburg am Inn. Doch der hat das allererste Mal in der Firmengeschichte an diesem Montag ZU. Am Dienstag starte ich eine Stunde früher und komme mit der Erkenntnis zurück, dass es wohl Spezialisten unter den Antiquitätenhändlern gibt. Geben muss. Diese Spezialisten verkaufen fast ausschliesslich Schlösser, aber kaum Messer, Schalen oder Gläser. Als ich den Laden verlasse, lächelt der Inhaber.

Spätestens hier hätte ich noch aussteigen können.

Drei Tage später. Ich starte eine neue Runde von Rosenheim über Parsdorf und kaufe „moderne Accecoires“. Messerblock zum Beispiel. Na bitte, läuft doch. Ich stelle am gleichen Tag eine Einkaufsliste zusammen. Rind, Lachs, Huhn, Ente, Pute, unterschiedliche Gemüse und – Muscheln. Doch Muscheln sind am Tag der Fotosession  ausverkauft, einfach aus den Kühlregalen verschwunden, dematerialisiert. Bestellverzögerung, Lieferstopp – keine Ahnung. Die freundliche Ladenmitarbeiterin lächelt. Wie im Fernsehen, wo 1.000 Gramm angezeigt werden, wenn man ein Kilo bestellt.

„Der Krieg ist aus“ höre ich im Gang zwischen Nudeln und Paniermehl. Wow, cool, denke ich – wenn man den Konflikt friedlich beenden kann. Gab´s denn Verhandlungen? Gar nix mitbekommen. Draußen vor dem Eingang keine jubelnden Volksmassen, eher gedrückte Stimmung. Könnte auch „Der Gries ist aus“ geheißen haben? So knapp neben dem Mehl?

Ich fahre nach Salzburg, in gutem Glauben, dass mich „Fisch Krieg“ an der Salzach friedlich empfängt und mir mit einem Lächeln ein Kilo fangfrischer Muscheln überreicht. Doch an diesem Vormittag ist die Lieferung nicht angekommen. „Zum ersten Mal seit Jahren“, blinzelt mir die chinesische Fischfachverkäuferin entgegen. Sie lächelt. Ich kaufe Lachsköpfe. Ein Euro Fünfzig das Stück. Die Lachsköpfe lächeln.

Ein Fischrestaurant in der Franz Josef Strasse hat Muscheln „letzte Woche aus dem Programm genommen“. Die Qualität. Schlecht. Der Inhaber lächelt. Auf seine Empfehlung hin starte ich nach Grödig. Durch die ganze Stadt. Dort gibt es Muscheln. Unterwegs sehe ich einen BILLA Laden, kaufe das letzte Paket Muscheln, die Verkäuferin lächelt, ich sage den Einkauf in Grödig ab.

Zurück an meinem Ort für die Fotos baue ich das Setup auf, Stative, Kamera, Lichtstative, Lampen, Hintergrund. Ich putze Kartoffeln, Zucchini, rote Beete, bringe Broccoli, Kohlrabi, Erbsen, Karotten und Spinat in Form, häufe Biertreber, Reis, Haferflocken und Grünlippmuschel in Schalen, träufle Fischöl, Maiskeimöl und Sonnenblumenöl in Gläser. Ich beklebe wieder und wieder Dosen mit frischgedruckten Etiketten – ich lächle, der Auftrag läuft.

Dann packe ich zwei Stück saftiges Rindfleisch auf das Bambusschneidebrett, verwechsle schon beim ersten Shooting die Zutaten, baue ab und gleich darauf wieder neu auf, das Bambusbrett ist feucht geworden, das Rindfleisch glitscht von der Fläche, verschiebt den ganzen Aufbau, wegen meiner temporären Ungeschicklichkeit rollt mir auch noch die Dose vom Tisch, Neuetikettierung. In der Folge platziere ich Huhn neben Reis, Zucchini, Haferflocken und Sonnenblumenöl, Lamm neben Kartoffeln, Karotten, Haferflocken, Sonnenblumenöl und Eierschalenpulver, Pute neben Reis , Karotten, Erbsen, Biertreber, Maiskeimöl, Fischöl und Eierschalenpulver, erneut Rindfleisch neben … RATTER … RATTER …. Die Ente schiebt das Huhn von der Unterlage, das wiederum treibt die Muscheln an, sie rollen nach vorne ….  Platte putzen, Neuaufbau. Meine Hände und Finger riechen unangenehm nach Fleisch, ich habe Lust auf einen veganen Burger, eine Cola (trinke ich normalerweise NIE) und eine Erkenntnis: NIE im Leben werde ich so einen Job machen. NIEmals. Ich bin gerade mittendrin. In dem, was die Psychologie „selbsterfüllende Prophezeiung“ nennt. Ich mische und renne (der Platz zur Vorbereitung der Zutaten ist im Keller – 25 Meter entfernt). Ich tue so, als würde ich lächeln. Die Reste von Covid hämmern mir an die Schläfen. Letzter Akt – siebte Szene. Trockenfutter. Fertig. Lächeln vergangen.

Rückfahrt. Und wenn ich an einer Stelle falsche Zutaten? NEIN, positiv fühlen und denken … Oder doch?

Ja, doch … Falsche Zutaten zum richtigen Etikett. Nicht nur einmal. Blöd … Offenbarung, Erkenntnis, Self-Fullfilling Prophecy. Ein Tag Erholung. Meine Hände und Finger riechen immer noch nach Fleisch. Ich habe Lust auf Rohkost. Lächeln. Und ich schwöre – es war noch viel chaotischer als beschrieben.

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